Was ist ein Reizdarmsyndrom?

Von einem „Reizdarmsyndrom“ sprechen Fachleute, wenn folgende drei Punkte erfüllt sind: Reizdarmsyndrom: Was steckt dahinter?

  1. Die Betroffenen leiden an Bauchbeschwerden wie Bauchschmerzen oder Blähungen, oft verbunden mit einem veränderten Stuhlgang, etwa Durchfall oder Verstopfung. Die Beschwerden halten länger als drei Monate an oder kehren immer wieder.

  2. Die Symptome schränken die Lebensqualität deutlich ein. Betroffene suchen deswegen Hilfe oder sorgen sich um ihre Gesundheit.

  3. Es liegen keine anderen Erkrankungen vor, die die Beschwerden verursachen oder erklären können.

Diese Definition gilt für Erwachsene mit einem Reizdarmsyndrom. Bei Kindern weicht sie etwas ab.

Wie viele Menschen ein Reizdarmsyndrom haben, ist nicht genau bekannt. Manchen Schätzungen zufolge könnten weltweit mehr als zehn Prozent betroffen sein. Daten einer Krankenkasse ergaben, dass in Deutschland etwa ein bis zwei Prozent der Menschen an einem Reizdarmsyndrom leiden – Frauen häufiger als Männer.

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Welche Symptome deuten auf ein Reizdarmsyndrom hin? 

Häufige Reizdarm-Symptome sind:

  • Bauchschmerzen

  • Blähungen, aufgeblähter Bauch

  • Neigung zu Durchfall oder Verstopfung oder beides im Wechsel

Die Stärke, Art und Häufigkeit der Beschwerden kann im Verlauf und von Mensch zu Mensch variieren.

Wichtig: Die Symptome eines Reizdarmsyndroms ähneln denen anderer Krankheiten, die unter Umständen rasch behandelt werden müssen. Deshalb ist es ratsam, die Beschwerden von einer Ärztin oder einem Arzt abklären zu lassen.

Wie geht die Ärztin oder der Arzt vor?

Es gibt keinen Test, mit dem sich ein Reizdarmsyndrom nachweisen lässt. Das ärztliche Gespräch sowie verschiedene Untersuchungen tragen dazu bei, andere Ursachen als Grund für die Beschwerden auszuschließen. Das ist wichtig, um sicherzugehen, dass keine andere Krankheit vorliegt, die anders behandelt werden muss. Dazu zählen zum Beispiel chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Krankheiten der weiblichen Geschlechtsorgane, Darmkrebs, eine ZöliakieNahrungsmittelunverträglichkeiten oder Nahrungsmittelallergien. Auch an eine sogenannte Nicht-Zöliakie-nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität oder eine atypische Nahrungsmittelallergie sollte gedacht werden. Die Beschwerden treten dabei oft erst mit deutlicher Verzögerung nach dem Essen auf, so dass der Zusammenhang mit einem bestimmten Lebensmittel nicht so leicht erkennbar ist.

In einem ausführlichen Gespräch erkundigt sich die Ärztin oder der Arzt nach den genauen Beschwerden, zum Beispiel danach, wie ausgeprägt sie sind, ob es zu einem unerklärbaren Gewichtsverlust kam, ob Fieber auftritt oder Blut im Stuhl ist. Von Interesse ist außerdem, ob es Faktoren gibt, die die Symptome verschlechtern. Das können zum Beispiel Lebensumstände sein, etwa Stress oder andere belastende Ereignisse, aber auch bestimmte Nahrungsmittel. Die behandelnde Person fragt außerdem nach der persönlichen Krankengeschichte sowie Krankheiten in der Familie, beispielsweise entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus CrohnColitis ulcerosa oder Darmkrebs.

Es folgt eine körperliche Untersuchung mit einer Tastuntersuchung des Enddarms.

Um andere Erkrankungen auszuschließen, finden üblicherweise weitere Untersuchungen statt, zum Beispiel:

  • Blutuntersuchungen inklusive einer Untersuchung auf bestimmte Antikörper, die bei einer Zöliakie vorkommen

  • Stuhluntersuchungen auf Entzündungszeichen und krankmachende Erreger

  • Ultraschalluntersuchung des Bauches

  • Untersuchung beim Frauenarzt oder bei der Frauenärztin (gynäkologische Untersuchung)

  • Spiegelung von Magen und Darm mit Entnahme von Gewebeproben

  • Tests auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten, zum Beispiel Laktose-Toleranz-Test, Fruktose-Toleranz-Test

Das Reizdarmsyndrom kann zusammen mit weiteren Krankheiten auftreten, zum Beispiel einer Fibromyalgie oder der Myalgischen Enzephalomyelitis, auch Chronisches Fatigue Snydrom genannt (ME/CFS).

Da Reizdarmbeschwerden mit psychischen Krankheiten wie einer Depression, einer Angststörung oder einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) einhergehen können, sollte das bei entsprechenden Hinweisen ebenfalls abgeklärt werden.

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Wie entsteht ein Reizdarmsyndrom? 

Die Ursachen des Reizdarmsyndroms sind noch nicht vollständig erforscht. Fachleute gehen davon aus, dass viele biologische, soziale und psychologische Einflüsse zu seiner Entstehung beitragen können. Bauch und Kopf stehen über Nerven und Botenstoffe in Verbindung. Unser Darm und unser Gehirn tauschen ständig Informationen aus und beeinflussen sich gegenseitig.

Dieses Zusammenspiel – die sogenannte Darm-Hirn-Achse – wird bei einem Reizdarmsyndrom gestört. Eine wichtige Rolle schreiben Fachleute den im Darm lebenden Bakterien zu, dem sogenannten Darmmikrobiom. Die Darmbakterien helfen zum Beispiel bei der Verdauung, könnten aber viele weitere Funktionen erfüllen, die noch erforscht werden.

Mögliche Auslöser eines Reizdarmsyndroms könnten zum Beispiel sein:

  • Veränderte Darmbewegungen: Die Darmmuskulatur bewegt sich, um den Darminhalt weiterzubefördern. Bei einem Reizdarmsyndrom können die Darmbewegungen verlangsamt oder beschleunigt sein.

  • Erhöhte Schmerzempfindlichkeit: Manche Betroffene empfinden normale Darmbewegungen wie Dehnung und Zusammenpressen als unangenehm. Ihr Nervensystem reagiert früher mit Schmerzen auf solche Reize.

  • Darminfektionen: Eine Magen-Darm-Infektion durch Viren, Bakterien oder andere Erreger, die Wochen, Monate oder sogar Jahre zurückliegt, kann ein Reizdarmsyndrom begünstigen.

  • Störung des Immungleichgewichts im Darm: Unabhängig von Infektionen können zum Beispiel Abwehrzellen im Darm übermäßig aktiv sein.

  • Veränderte Schleimhautfunktionen: Ist die Darmschleimhaut zu durchlässig, können eventuell Stoffe in die Schleimhaut eindringen, welche das Immunsystem im Darm aktivieren.

  • Hormone könnten einen Einfluss haben, zum Beispiel das weibliche Sexualhormon Östrogen.

  • Genetischer Einfluss: Manche Genveränderungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit für ein Reizdarmsyndrom, wenn weitere Faktoren dazukommen.

  • Verändertes Mikrobiom: Im Darm leben viele verschiedene nützliche Bakterien, das Darmmikrobiom. Die Menge und Zusammensetzung dieser Bakterien kann bei einem Reizdarmsyndrom verändert sein. Zurückliegende Therapien mit Antibiotika fördern die Krankheit möglicherweise.

  • Psychische Faktoren: Ein Reizdarmsyndrom kann mit Stress, belastenden Lebensereignissen oder psychischen Krankheiten wie Angststörungen oder einer Depression in Verbindung stehen. Auch ein Trauma könnte bei der Entstehung und dem Verlauf des Reizdarmsyndroms eine Rolle spielen.

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Was hilft bei einem Reizdarmsyndrom? 

Die Ärztin oder der Arzt muss zunächst andere Erkrankungen ausschließen, um die Diagnose stellen zu können.

Bei einem Reizdarmsyndrom gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, aber keine Standardtherapie. Nicht zu allen angebotenen Therapien sind große, aussagekräftige Studien verfügbar, die den Nutzen eindeutig belegen. Manche weisen auf einen Nutzen hin, andere können für die gleiche Behandlung aber keinen Effekt feststellen

Individuell planen: Betroffene und ihre Ärztinnen oder Ärzte sollten gemeinsam planen, welche Maßnahmen für sie oder ihn am besten geeignet sind. Das hängt zum Beispiel davon ab, welche Symptome – eher Schmerzen, Durchfall oder Verstopfung – im Vordergrund stehen. Betroffene können mit Ärztinnen und Ärzten mögliche Vor- und Nachteile der jeweiligen Behandlung besprechen und abwägen. Wie gut die gewählte Therapie hilft, müssen sie manchmal ausprobieren und gemeinsam im Verlauf prüfen und anpassen.

Mögliche Auslöser finden: Es kann hilfreich sein, gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt Faktoren zu ermitteln, die die Beschwerden im individuellen Fall auslösen oder verschlimmern – zum Beispiel bestimmte Lebensmittel oder auch Stressquellen im Alltag. Ein Symptome-Tagebuch kann helfen, solche Trigger zu finden. Darin notieren Betroffene zum Beispiel, was sie essen, wie sie den Tag verbringen, wie sie sich fühlen oder welche Beschwerden auftreten.

Ernährung besprechen: Pauschale Ernährungsempfehlungen, die allen Menschen mit einem Reizdarmsyndrom helfen, gibt es nicht. Betroffene sollten mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt besprechen, welche Ernährung am besten passt. Es ist wichtig, sich bei diesem Vorgehen ärztlich beraten zu lassen. Denn es muss gesichert sein, dass das Essen auf längere Sicht ausgewogen bleibt und kein Nährstoffmangel entsteht.

Eventuell empfiehlt die Ärztin oder der Arzt eine fundierte ernährungstherapeutische Beratung. Sie wird von Diätassistentinnen und Diätassistenten, Ökotrophologinnen und Ökotrophologen oder Ernährungsmedizinerinnen und Ernährungsmedizinern angeboten. Der Begriff „Ernährungsberater“ oder „Ernährungsberaterin“ ist dagegen nicht geschützt und sagt noch nichts über die Qualifikation aus.

Eventuell geeignet: Low-FODMAP-Diät

Möglicherweise schlägt die Ärztin oder der Arzt eine sogenannte Low-FODMAP-Diät vor, oft verbunden mit einer ernährungstherapeutischen Beratung.

Psychotherapeutische Verfahren können hilfreich sein, vor allem, wenn zusätzlich eine psychische Krankheit besteht. Eine Psychotherapie kann außerdem dabei unterstützen, besser mit der Krankheit umzugehen. Eventuell eignen sich auch ergänzende Maßnahmen wie Strategien zur Stressvermeidung oder Entspannungsverfahren. Eine sogenannte bauchgerichtete Hypnose wird bei einem Reizdarmsyndrom ebenfalls angewendet.

Osteopathie unterstützt die Darmperistaltik

Präparate mit Pfefferminzöl lindern bei manchen Menschen die Reizdarmbeschwerden. Die Ärztin oder der Arzt berät zur Auswahl, Anwendung und möglichen Nebenwirkungen.

Probiotika sind bestimmte Bakterien oder Hefepilze zB. (DARM BIOPRO von NATURE HEART), die man zum Beispiel in Form von Kapseln, Tabletten, Trinklösungen oder mit Milchprodukten einnimmt. Ausgewählte Probiotika können laut ärztlicher Leitlinie bei Reizdarmbeschwerden versucht werden. Ob oder wie gut sie im Einzelfall helfen, ist allerdings nicht vorhersehbar. Die Ärztin oder der Arzt berät zur Auswahl individuell geeigneter Mittel.

Verschiedene Medikamente kommen gezielt nach den jeweiligen Symptomen als Therapie infrage – etwa Mittel gegen Bauchkrämpfe, Durchfall oder Verstopfung. Die Ärztin oder der Arzt informiert, welche Präparate individuell geeignet sind, welche Nachteile sie haben können und was es bei der Anwendung zu beachten gibt. Einige Antidepressiva zeigen bei einem Reizdarmsyndrom ebenfalls einen lindernden Effekt – unabhängig davon, ob eine Depression vorliegt oder nicht.

Ergänzende Therapien: Menschen mit einem Reizdarmsyndrom können von körperlicher Bewegung profitieren. Manchen helfen Yoga oder Akupunktur.

Die Lebenserwartung ist bei einem Reizdarmsyndrom normal. Die Beschwerden haben auch keine Organschäden zur Folge.

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